Ein paraphrasiertes Gespräch
Madita Schwenke
Wie sieht euer Arbeitsalltag aus?
Annina: Ich arbeite von 9 bis 16 Uhr in Teilzeit. Die Arbeit besteht aus Redaktions – und Teamrunden, ich reviewe PDFs, schreibe sehr viele E-Mails und führe Telefonate. Mit meinen Kolleg*innen arbeite ich intensiv zusammen.
Harriet: Ich habe keinen so geordneten Tagesablauf – eigentlich arbeite ich permanent. Wobei die Arbeit so erfüllend ist, dass es manchmal schwer ist, sie überhaupt als solche zu definieren. Ich habe sehr verschiedene Aufgaben – kein Tag ist der gleiche. Manuskripte schaue ich mir meist on the go an. Bei meiner Arbeit sind viele verschiedene Leute stark involviert, darum spreche ich gerne im Plural, obwohl ich im Prinzip eigenständig den Verlag führe.
Gibt es Arbeitsschritte, die euch besonders viel Spaß machen?
Annina: Ich liebe besonders das Gespräch mit unseren Künstler*innen, mit ihnen Projekte zu entwickeln und gemeinsam darüber zu sprechen. Ich hatte erst heute ein tolles Telefonat mit einer Künstlerin über ihr Buch, das einfach super viel Spaß gemacht hat.
Harriet: Ich finde immer den Anfang und das Ende toll, also den Beginn der Arbeit an einem Projekt und, wenn man dann das fertige Buch in den Händen hält wie ein Baby, auf das man ganz stolz ist! Ich mag auch die Arbeit am Messestand, Sichtbarkeit für unsere Bücher zu generieren und Presseerwähnungen an unsere Autor*innen weiterzugeben
Wie gründet man denn einen Verlag? Was gibt es zu beachten?
Harriet: Dazu gehört ganz viel Planung, man muss zum Beispiel ein Gewerbe anmelden, also etwa als Einzelunternehmen oder GbR. Dabei kostet so manches viel Geld. Die ISBN ist noch das geringste Übel. Eine große Herausforderung sind die Datenbanken der Buchhandlungen, denn für die ist es oft leichter, mit Großkonzernen zusammenzuarbeiten als mit kleinen Verlagen. Logistische Schritte können hilfreich sein damit man die Bücher nicht mehr im WG-Zimmer lagern muss. Ich möchte niemandem ausreden, einen Verlag zu gründen, aber man muss dafür schon wirklich Bock haben, tolle Bücher zu verlegen!
Nach welchen Kriterien wählt ihr Bücher für euren Verlag aus?
Annina: Durch Carlsen sind die Kriterien relativ klar vorgegeben. Die Comicabteilung grenzt sich von Mangas ab, diese werden also separat verlegt. Für jedes Projekt brauchen wir klare USPs, ein Comic muss griffig erklärbar sein, mit Schlagworten definiert werden können und über eine anschlussfähige Grafik verfügen. Ein „Indie-Stil“ passt oft eher nicht in unser Verlagsprogramm – so etwas wäre dann zum Beispiel bei Reprodukt besser aufgehoben.
Harriet: Auch bei uns ist die Anschlussfähigkeit ein wichtiger Punkt. Wenn ein Thema sehr nischig ist, muss ich mir früh Gedanken über den finanziellen Aspekt machen. Bei der Auswahl der Projekte ist mein Bauchgefühl auch sehr wichtig, ich muss also richtig dafür brennen.
Autor*innen müssen Lust haben, gemeinsam für das Buch zu werben, auch über längere Zeit. Die Buchveröffentlichung sollte bei uns nicht als „Checkbox“ betrachtet werden, Illustrator:innen sollten auch darüber hinaus etwas Werbe-Ausdauer mitbringen.
Was ist bei Verlagsverträgen zu beachten?
Harriet: Verträge sind zentral, denn sie sind buchstäblich dazu da, dass man sich verträgt. Als Verlegerin ist es sehr wichtig, transparent zu erklären, was mit Autor:innen und Illustrator*innen ausgemacht wird. Nehmt euch deshalb Zeit, Veträge durchzugehen – auch gemeinsam mit anderen Menschen. Stellt Fragen! Ich kann euch auch die Illustratoren Organisation empfehlen, die in der Hinsicht eine gute Stütze bietet.
Annina: Für einen Vertrag ist es wichtig, genaue Angaben zum Projekt zu machen. Die Seitenzahl, das Abgabedatum und die Rechte werden sehr präzise festgehalten. Filmrechte und Merchandizing sind für Carlsen wichtig. Viele Illustrator*innen sind hier eher zögerlich, dabei profitieren sie natürlich auch davon, wenn ihr Projekt zum Beispiel bei einem Filmpitch vorgeschlagen werden kann. Euer Mitverdienen ist hier also auch im Interesse des Verlags!
Wie wirken sich aktuelle Krisen auf Buchmärkte aus? Ist zum Beispiel K.I. Für euch ein Problem? Und gibt es auch positive Entwicklungen?
Annina: Da denke ich zuerst mal an die Inflation. Weil die Preise für alles steigen, kosten Bücher mittlerweile teilweise doppelt so viel. K.I. Ist auch eine Herausforderung, weil Künstler:innen weniger Aufträge erhalten und so teilweise ihr zweites finanzielles Standbein verlieren, was der Verlag leider nicht einfach ausgleichen kann.
Harriet: Da stimme ich zu. Problematisch ist auch, was aktuell politisch im Kulturbereich passiert. In Berlin sind viele Förderungen eingebrochen, sodass sich Autor:innen auf weniger Stipendien stützen können. In Hamburg ist die Förderung im Vergleich besser.
Positiv bewerte ich, dass Bücher trotz allem immer noch relevant sind. Debatten beziehen sich zum Beispiel häufig auf Buchpublikationen.
Bezüglich der Kontroverse um K.I. schaue ich gespannt auf die aktuelle Entwicklung. K.I. Liegt in unseren Projekten eher fern, weil der eigene Stil für uns relevant ist.
Gewerkschaften und politische Organisation sind bei diesem Thema sehr wichtig für Selbstständige. Auch hier leistet die Illustratoren Organisation
tolle Arbeit.
Was würdet ihr Leuten empfehlen, die Bücher im Selbstverlag publishen wollen?
Annina: Machen! Produziert viele Bücher und Heftchen und verkauft sie auf Messen! So etwas kann auch für eine Vorstellung bei einem Verlag hilfreich sein, um zu zeigen, dass man Projekte fertigstellen kann.
Harriet: Selfpublishing erhöht eure Sichtbarkeit. Zines sind im Vergleich zu puren Textentwürfen leichter zugänglich. Zeigt also eure Werke: auf Messen, bei der Indiecon, beim Rundgang und so weiter. Das Konzept für unsere Graphicnovel über Emojis entdeckte ich zum Beispiel auch beim Rundgang in der Finkenau!
Was empfehlt ihr Illustrator:innen für den Verlagskontakt auf Messen?
Annina: Für Comics empfehle ich kleine Veranstaltungen: das Comicfestival Hamburg, den Comic Salon Erlangen, die Comic Invasion Berlin. Große Messen können schnell überfordernd sein.
Harriet: Wenn ihr uns auf Messen ansprecht, achtet am besten auf die Stimmung und passt einen guten Moment dafür ab. Verlage sind sehr beschäftigt, weshalb E-Mails manchmal einfach untergehen. Eine Antwort kann also auch mal länger dauern.
Massenmails werden prinzipiell nicht beantwortet – zeigt also unbedingt, dass ihr euch mit dem Verlag beschäftigt habt! Wenn ihr sicher seid, dass euer Projekt gut ins Programm passt, seid auf freundliche Weise hartnäckig und hakt nochmal nach.
Kontakt
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Instagram: @madita_malt
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