Eva Müller

Bericht über den Vortrag von Eva Müller
Spezial Material vom 20. Januar 2025

Am Montag, den 20. Januar 2025, durften wir die freischaffende Künstlerin, Comiczeichnerin und Autorin Eva Müller bei Spezial Material im Ditze-Hörsaal begrüßen.
Eva Müller schloss 2017 ihren Bachelor in Illustration an der HAW ab und arbeitet seitdem hauptsächlich in Hamburg, wobei sie mit ihrer künstlerischen Arbeit viel im In- und Ausland unterwegs ist.
Neben ihrer Tätigkeit als Künstlerin und Autorin, ist sie als Kulturschaffende, -vermittlerin und Lehrerin tätig. Mit ihrem Vortrag gab sie uns Einblicke in die verschiedenen Standbeine ihrer Arbeit, zu denen das Publizieren von Graphic Novels und Comics, die Teilnahme an Residencies, ihre politische
Arbeit, Lesungen, Performances, Workshops und das Veranstalten kultureller Events gehören.
Als Grundlage ihrer Arbeit bezeichnet Eva Müller die Arbeit an ihren Comics und Graphic Novels, an denen sie als Zeichnerin und Autorin arbeitet. Ihr Abschluss-Projekt, die Graphic Novel „Sterben ist echt das Letzte“ veröffentlichte sie 2017 beim Verlag „Schwarzer Turm“, das bereits in
fünfter Auflage und im Ausland erscheint. Als Grund für diesen Erfolg bezeichnet sie nicht nur das Thema Tod, mit dem sie ein universelles Thema behandelt, sondern auch ihre Beharrlichkeit, mit der sie ihr Projekt immer wieder an Verlage schickte, bis sie schließlich bei dem kleinen Indie-Verlag
verlegt wurde und sich damit den Weg in die Branche ebnete.

In „Scheiblettenkind“, ihrer 2022 erschienenen Graphic Novel erzählt sie teils fiktional, teils autobiographisch die Geschichte einer Arbeiterfamilie und beschäftigt sich mit der Bedeutung sozialer Klasse in der Gesellschaft. Als
gleichwertige Sprachelemente ihrer Arbeit erklärt Eva hierbei die analoge Zeichnung und den Text, in denen sie auch ihren eigenen kulturellen und sozialen Background, sowie popkulturelle und geschichtliche
Elemente mit einfließen lässt. Beim Erzählen nutzt sie keine Storyboards, sondern entwickelt die Geschichte von Seite zu Seite im Wechselspiel zwischen Text und Bild. Auch in ihren zahlreichen Kurzcomics für Anthologien und Zeitschriften arbeitet sie dokumentarisch journalistisch.
Seitdem ihr Buch „Scheiblettenkind“ beim Suhrkamp-Verlag veröffentlicht wurde, ist Eva viel auf den vom Verlag organisierten Lesetouren unterwegs. Aber auch vorher gab sie selbst organisierte Lesungen, die sie multimedial mit Animationen, Musik und Performances verwebt. Hierbei erlebt sie immer wieder Überraschung von Gästen über die anspruchsvollen Inhalte ihrer Comics, was die Unterschätzung des Genres verdeutlicht. Nach Evas Einschätzung gibt es aufgrund der Unterrepräsentation des Comics in der Literaturbranche noch viele Freiräume, in denen Comiclesungen zu anspruchsvollen und gleichzeitig niedrigschwelligeren Events werden können. Hierzu veranstaltet sie auch die Lesereihe „Comickiosk“ in Hamburg, bei der Comickünstlerinnen aus ihren Projekten lesen. Teil Evas politischer Arbeit ist das Engagement für den Comic und ihr Einsatz dafür, der Gattung ihren verdienten Platz in der Literaturbranche einzuräumen. Dafür setzt sich die von ihr mitbegründete Comic-Gewerkschaft ein. In deren Online-Forum, im „pool of knowledge“ können sich Kunstschaffende aus dem Comicbereich vernetzen und austauschen. Eva betonte immer wieder die Wichtigkeit des Zusammenschließens und der gegenseitigen Unterstützung, wodurch politisch mehr Druck ausgeübt werden kann, der notwendig ist, um als Comicbereich in der Literaturbranche nicht vergessen zu werden. Als Kulturschaffende arbeitet Eva seit zwanzig Jahren mit an der Organisation von Konzerten, politischen und queerfeministischen Veranstaltungen in autonomen Strukturen. Mittlerweile ist sie in diesem Bereich nicht mehr nur ehrenamtlich tätig, sondern finanziert diese Arbeit mit Fördergeldern. Um ihr Wissen und Können weiterzugeben, arbeitet Eva auch in Workshopformaten mit Kindern, wie für „Comixx mit Klasse“ oder die „Comicgruppe“ St. Pauli, bei denen Kinder an eigenen Comicprojekten arbeiten können. Diese Arbeit beschreibt Eva als sehr wertvoll und bereichernd und empfiehlt, sich bei Interesse an den jeweiligen Stellen zu bewerben. Nicht zuletzt stellt das Bewerben für Residencies und Förderungen einen großen Teil von Evas Arbeit dar. Residencies, in denen sie bereits an ihren Projekten arbeitete, sind beispielsweise die Camargo Foundation (Frankreich), Saari Residency (Finnland), Media Artists in Residency (Japan) und die Villa Aurora (USA, Kalifornien). An letzterer konnte sie als erste Künstlerin mit Kind teilnehmen, weil seit Jahren Künstlerinnen Druck ausgeübt hatten, um Residenzen für Kunstschaffende mit Kindern zu ermöglichen. Dies stellt leider häufig ein Hindernis dar und Eva betont daher auch an dieser Stelle die Wichtigkeit, sich gemeinsam für Forderungen in der Branche stark zu machen. Aufgrund des hohen Interesses an Residencies unter den Studierenden, teilte Eva noch
ein paar wichtige Tips. Zunächst ermunterte sie uns, sich trotz Absagen nicht abschrecken zu lassen und hartnäckig zu bleiben. Ebenso rät sie, sich für kleinere Residenzen zu bewerben, da auch sie sich durch stetige kleine Schritte im Lebenslauf hochgearbeitet hat. Den Bewerbungsprozess hält sie für einen bereichernden, da man darin immer wieder aufgefordert ist, über die eigene Arbeit zu schreiben und zu reflektieren und auch abgesagte Projekte aus diesem Grund nicht umsonst sind. Das Dokumentieren der eigenen Bewerbungen kann dabei helfen, aus erfolgreichen Bewerbungen zu lernen und sich untereinander mit hilfreichen Tips zu versorgen.
Zum Abschluss ihres Vortrages erzählte Eva von ihrem aktuellen Graphic-Novel-Projekt „Anna“, in dem sie sich mit dem Leben einer im Nationalsozialismus als „Asoziale“ verfolgten Frau beschäftigt. Ursprünglich als Kurzgeschichten über Gertrud Bräuer, Anna Beuschel, Frieda Robick und
Ruth Schult – die meist nicht namentlich genannten Opfer des bekannten Hamburger Serienmörders Fritz Honka – gedacht, wird dieses Projekt nun ein viel größeres. Evas Archivrecherchen führten sie tief in die deutsche Erinnerungskultur, in der über die als „asozial“ Verfolgten des NS so wenig bekannt ist. Für dieses Projekt erhielt sie bereits den Hamburger Literaturpreis und ein Stipendium des Deutschen Literaturfonds. Abschließend erhielten wir eine kurze Kostprobe aus Kapiteln des entstehenden Buches, als Eva daraus vorlas.
In der Fragerunde und Gesprächen nach dem Vortrag hatten die Studierenden den Eindruck, dass Eva sehr authentisch über die unterschiedlichen Standbeine ihrer künstlerischen Arbeit berichtet.
Sie geht auf die Schwierigkeiten in einem meist schlecht bezahlten Bereich wie dem Comic ein, ermuntert aber auch, dran zu bleiben und sich immer weiter für Residenzen, Preise und Förderungen, sowie bei Verlagen zu bewerben und die Netzwerke, die uns zur Verfügung stehen, zu nutzen
und uns gegenseitig zu unterstützen.
Hier noch ein paar Tips von Eva:


Comic-Gewerkschaft, Online-Forum: https://forum.comicgewerkschaft.org/login

Honorarrechner für selbstständige Kreative, ver.di: https://www.verdi.de/themen/nachrichten/++co++71a8169a-32da-11ef-8fcf-756dc79c3410
Comixx mit Klasse: https://comixxmitklasse.literaturhaus-hamburg.de/
Comicgruppe St. Pauli: https://gwa-stpauli.de/termin-detail/termin/comicgruppe-20250115/
Comickiosk, Lesereihe in Hamburg: https://www.instagram.com/comic.kiosk/
bbk Berlin: Open Calls, Residencies, etc.: https://www.bbk-berlin.de/open-calls
Res Artis, weltweite Residenzen: https://resartis.org/Comic-Gewerkschaft, Online-Forum: https://forum.comicgewerkschaft.org/login


geschrieben von Johanna Marie Meyer